28.8.2010 von tono.
Wenn ich daran denke, wie verzweifelt ich bei meinem „Einzug“ hier gewesen bin, muss ich grinsen. Ich war so konzentriert darauf, aufzulisten, was ich alles nicht mehr konnte, so fixiert auf die Einschränkungen, die Folgen meiner Krankheit, dass ich ihr einen viel größeren Anteil meines Lebens zugestand als richtig gewesen wäre. Natürlich wäre das eine Menge gewesen, aber mir erschien es wie fast Alles.
Heute wünschte ich mir, so schwach und eingeschränkt zu sein wie damals. Mann, gäbe das eine Party! Ich würde grillen, kochen, dafür einkaufen und würde dabei noch singen und tanzen. Das, was ich dann noch könnte, wäre nämlich tausend Mal mehr als jetzt. Damals dachte ich, es wäre gar nichts mehr, aber heute erscheint mir der Zustand extrem verlockend. Möglichkeiten über Möglichkeiten! Ist eben wirklich nur eine Frage des Standpunktes, von dem aus man Dinge betrachtet. Im direkten Vergleich mit dem, was ich vorher zu leisten imstande war, war das bestimmt auch zutreffend. Jetzt, von hier, sieht das schon etwas anders aus.
Heute kann ich nichts mehr, womit sich groß etwas anfangen ließe. Programmgemäß greift sich die ‘ALS’ meine letzten verbliebenen Muskeln. Derzeit knabbert sie an meinen Nackenmuskeln und den noch verbliebenen Beinmuskeln. Für mich lässt sich das recht gut realisieren, denn die wenigen Bewegungen, die ich noch ausführe, sind seit Monaten überwiegend dieselben. Vor allem bei der Krankengymnastik fällt schnell auf, wenn wieder ein Teil meines Körpers aufhört, sich durch eigene Muskelkraft bewegen zu lassen.
Deswegen hätte ich es begrüßt, wenn mich zu Beginn meiner Krankheit mal jemand zur Seite genommen und kräftig in den Hintern getreten hätte. Anschließend dann eine Schocktherapie, in deren Verlauf mir mein heutiger - und zukünftiger - Zustand ganz klar und deutlich vor Augen geführt würde. Gerne auch drastisch, mit Bildern, Filmen oder Besuchen bei anderen Kranken. Alles eben, womit man einem Sterbenskranken klarmachen kann, dass er im Vergleich zu anderen Kranken - oder sich selbst in einigen Monaten - noch ziemlich gut dran ist. Aber leider beschränkt sich die (eigene) Wahrnehmung und Sichtweise zu sehr auf die Verluste…
Apropos Verluste: durch den Ausfall immer mehr meiner Nacken- und Halsmuskeln und auch der Lippen fällt mir das Rauchen immer schwerer, ich habe meinen Konsum deshalb in etwa halbiert. „Nicht schlimm“, höre ich Mediziner und militante Nichtraucher unisono sagen. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass ich vorher 4-6 Zigarretten geraucht habe, wird klar, dass wir von homöopathischen Dosen reden…
PS: Das Essen wird auch schwieriger, finde ich aber bei Weitem nicht so tragisch…
In diesem Sinn, schönes Wochenende. Und falls es dauernd regnen sollte: macht es Euch zuhause schön gemütlich. Ich gehe dieses Wochenende auch nicht raus…
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21.8.2010 von tono.
Jetzt reicht’s aber langsam. Auf die Gefahr hin, endgültig als Nörgler angesehen zu werden - das muss raus. Es gibt mittlerweile so viele Kochshows auf allen Sendern. Waren es erst die Gewinnspiele, mit denen uns private Sender vornehmlich nachts auf Zurechnungsfähigkeit prüften, so ist es jetzt die inflationäre Zunahme der Kochshows quer über alle Kanäle, die stark im Trend liegt.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit sieht man dekorierte Sterneköche, Zuschauer und Prominente blanchieren, filetieren, garnieren und um die Wette servieren. Egal, ob Profis oder Amateure hinter dem Herd stehen, immer handelt es sich um sehr ambitionierte Menschen mit großem Engagement und viel Begeisterung. In ein paar Fernsehshows stehen sie im Wettbewerb, andere bekommen „Nachhilfe“ von einer Hilfstruppe Profiköche, wieder andere wetteifern um die Gunst ihrer prominenten Gäste. Alle wachsen an ihren Aufgaben, viele darüber hinaus.
Grundsätzlich positiv zu bewerten, das Ganze. Erst recht von mir als begeistertem Hobbykoch. Schön ist jedenfalls, dass die Ergebnisse in den meisten Fällen appetitlich ausschauen und sie mit sehr viel Liebe zum Detail zubereitet und angerichtet wurden. Es geht um Fantasie, Kreativität und nicht zuletzt auch um handwerkliches Geschick. Garpunkte, Bissfestigkeit und gekonnte Zusammenstellung, und nicht um Dosen, Tüten oder Fertiggewürzmischungen.
Leider schwappt die Kochwelle nicht überall hin und erreicht die Köche in der ganzen Republik. Ich wüsste da ein paar Kandidaten für eine Nachhilfe durch die „Kochprofis“ von RTL2, vielleicht kann mal jemand beim Sender anrufen und das für mich arrangieren…
Ich habe hier nur einmal in frisches, bissfestes Gemüse gebissen - der ehrenamtlichen Hilfe sei dank! Sonst ist es gleich, was auf dem Teller liegt: Gemüse, Reis oder Nudeln lassen sich ohne Mühe mit einer Gabel zerdrücken und brauchen genausowenig gekaut zu werden wie Pürree. Schade um die Mühe und die Zutaten…
Ich habe mir überlegt, jetzt regelmäßig einmal pro Woche (voraussichtlich Samstags) einen Beitrag zu verfassen, auch wenn nichts Besonderes zu berichten ist - wie jetzt.
Mein Sprachcomputer „mytobii P10“, respektive sein defekter Lüfter, hat mittlerweile eine Lautstärke erreicht, dass sogar Techniklaien den Ausfall des Teils prognostizieren. O-Ton: „So hörte sich mein Computer an, kurz bevor er kaputt ging“. Meine Antwort: „ja“.
Was sollte ich darauf noch sagen, traf die Aussage doch den Nagel auf den Kopf. Ich habe schon genug defekte Lüfter während meiner Berufsjahre gehört und gesehen, um zu wissen, dass die Prognose zutreffend war. Das, was man so deutlich hörte, war der unrunde Lauf des Lüfters, verursacht durch einen Lagerschaden. Bei einer mittleren Drehzahl von 3500 U/min ist jeder weitere Tag, den er läuft, eine Lotterie. Kurz- bis mittelfristig ist der endgültige Stillstand zu erwarten. Dann kommt es anschließend zu den teuren und eklatanten Folgeschäden: durch Überhitzung wird die Hauptplatine zerstört und der Prozessor stirbt den Hitzetod. Ein neuer Lüfter kostet etwa 7,50 Euro, die Hauptplatine mit Arbeitsspeicher und Prozessor ca. 300,00 Euro! Dazu kommen noch die Lohnkosten für die Reparaturarbeiten: Lüfteraustausch etwa 5 Minuten, Mainboard, RAM und Cpu etwa 60 Minuten.
Leider kann ich weder den Lüfter selbst austauschen noch mich um zumutbare Alternativlösungen kümmern. Und auch niemand sonst scheint zu wollen oder zu können - die Zeit verrinnt und nichts geschieht. Kommt mir vor wie das Kaninchen vor der Schlange …
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13.8.2010 von tono.
Im Gegensatz zu den vielen, eines unnatürlichen Todes verstorbenen Protagonisten des (Horror-) Filmklassikers aus den 80ern geht es mir noch gut. Obwohl ich ziemlich am Boden war, bis ich endlich Frühstück bekam; es war 15.15 Uhr…
Egal, hier im Haus hat wieder jemand (B.D.) Geburtstag, dem ich von hier alles Gute wünsche.
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12.8.2010 von tono.
Mein Sprachcomputer
Schon sehr viel mehr als ein halbes Jahr im Einsatz, wird es jetzt Zeit für ein Fazit.
Generell möchte ich vorab schicken, dass ich mich mit dem Gerät arrangiert habe und es jetzt sehr intensiv nutze, bis in die letzten Module hinein. Mittlerweile ist es eine unverzichtbare Kommunikationshilfe für mich geworden, ohne die vieles für mich nicht möglich wäre. Ich versuche, das Leistungspotenzial des Geräts völlig auszuschöpfen. Da kommt es mir entgegen, dass ich beruflich schon viel Erfahrung mit speziellen (Branchen-) Anwendungen gesammelt habe. Von daher weiß ich, dass es sich hier um Meckern auf hohem Niveau handelt.
“Den Fortschritt verdanken wir den Nörglern. Zufriedene Menschen mögen keine Veränderungen.” (Herbert George Wells, brit. Schriftsteller, 1866-1946)
Hersteller: „mytobii“, Schweden
www.mytobi.com
Händler: TFB, Technik für Behinderte, Hannover
www.tfb-team.de
Name/Typ: „P10“
Bauart: Kompakt, mit Touchscreen, inkl. fahrbarer Halterung zum Einsatz innerhalb von geschlossenen Räumen an Stühlen oder über Betten
Technische Daten: Standard ATX Bauweise, 1,5 GHz Celeron CPU, 1GB RAM, 80GB Festplatte, integrierte Grafikkarte und Sound, 15“ Touchscreen Monitor, 2 USB Anschlüsse, im Rahmen verbaute Infrarot Cameras.
Betriebssystem: Microsoft Windows XP Professional, SP3.
Die Kommunikationssoftware „mytobii“ und die Internetverbindung und -Nutzung wurde von TfB vor Ort noch in 2 Anläufen eingerichtet. Ich benutze für die Internetverbindung einen eigenen UMTS USB-Stick und eine Flatrate von Simplydata, HDSCPA, 7,2MBit/s, max. monatliches Transfervolumen 5GB. Vor einiger Zeit kam noch die Umfeldsteuerung zum Einsatz, es wurden Infrarotmodule für die Fernbedienung des Fernsehers und für ein Klingelsystem nachgerüstet. Jetzt bediene ich TV und DVD und mein Rufsystem damit, schreibe eMails und SMS, surfe im Internet, höre Musik und teile mich meiner Umgebung mit.
Für Nicht-Computerprofis: Hardware auf dem Stand von 2006, Wert mit Betriebssystem weniger als 2.500,00 Euro. Verkaufspreis: ab 15.900,00 Euro.
Reklamationen, Fehler und Mängel:
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Rechner startet oft nicht und der Bildschirm bleibt schwarz.
Temporäre Abhilfe durch Ziehen des Netzsteckers.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Fehler in der „mytobii“ Software, beim Start der Software erscheint eine Fehlermeldung, die auf eine beschädigte Datei „settings.xml“ hinweist und das Programm startet nicht.
Temporäre Abhilfe nur durch Techniker, es muss wahlweise eine neue Datei erstellt oder eingespielt werden oder aus einer Datensicherung wieder hergestellt werden.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Bei der Nutzung des Internetmoduls werden Dialogboxen oder Fenster eingeblendet und verdecken die Bedienelemente.
Temporäre Abhilfe durch Bedienung des Touchscreens mit dem Finger oder dem Stift.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Beim Wechsel aus anderen Anwendungen zurück zur Sprachsoftware „MindExpress“ friert der Mauszeiger über einer Trennlinie ein und reagiert nicht mehr auf Augenbewegungen.
Temporäre Abhilfe durch Bedienung des Touchscreens mit dem Finger oder dem Stift.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Unfähigkeit des Mediaplayers, einige weit verbreitete Multimediadateien wiederzugeben wie MPEG, XVID und DIVX Videos.
Abhilfe durch eigene Installation der dazugehörenden Codecs.
Unfähigkeit des Emailprogramms, HTML-formatierte Emails darzustellen, sowie einen Fehler beim Versenden von Emails mit Anhängen, der dazu führt, dass keine Anhänge mitgesendet werden.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Fehlende Sonderzeichen wie z.B. Gänsefüßchen, Apostrophe oder andere.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Brummender, schnarrender, sehr laut und unruhig laufender Gerätelüfter.
Abhilfe nur durch Hersteller möglich, bzw. erlaubt/gewünscht, also keine.
Kein Antivirenschutz im System.
Abhilfe durch die eigene Installation und Einrichtung der AVG Antivirensoftware.
Kein PDF-Betrachter, Packsoftware oder PDF-Drucker eingerichtet.
Abhilfe durch eigene Nachinstallation.
Fehlen einer Datensicherungsautomatik und einer ERP (Emergency Recovery Procedure).
Abhilfe durch eigene Einrichtung einer Datensicherungsautomatik und eines Imaging-Programms mit eigenem Minibetriebssystem.
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Grundsätzlich wären viele Mängel schon längst aus der Welt geschafft worden, gäbe es da nicht räumliche und logistische Diskrepanzen. Ich wohne in Bielefeld, der Händler TFB residiert in Hannover und der Hersteller mytobii irgendwo in den Wäldern Schwedens. Dazu kommen noch die seltsamen Abhängigkeiten; TFB sieht sich außerstande, das Gerät zu Reparaturzwecken zu öffnen und ist gezwungen(?), es nach Schweden zu versenden. Kenne ich von Volvo und Ikea anders. Ich habe schonmal für eine schwedische Firma gearbeitet - auch die waren irgendwie anders - aber bei Weitem nicht so Kundenunfreundlich…
Apropos Ikea: einer ähnlichen Logik und „Ordnung“ folgt auch mytobii beim Design der Software und der Bedienung - kunterbunt, unaufgeräumt und unlogisch. Für Nicht-Saunagänger ähnlich aufgeräumt anmutend wie Pipilotta Viktualias Ephraims Tochter ihr Haus. Von „selbsterklärend“, „Bedienerfreundlich“ und „einfach“ so weit entfernt wie Pipi vom Friseur. Usability, Stringenz oder elegantes Design: unbekannt. Um einen Satz formulieren zu können, muss ich oft zwischen verschiedenen Oberbegriffen hin- und herwechseln. Dabei wird das Gedächtnis gleich mittrainiert, denn ein Rucksack findet sich z.B. unter dem Oberbegriff „Unterwäsche“, einen Trabant findet man unter „Freizeit“, dafür einen Panzer unter „Fahrzeuge“ und eine Bombe(!) unter „Werkzeug.“ Auch findet man so nützliche Wörter wie „Planwagen“, und einige lustige Schreibfehler… Eine Worterkennung mit Vorschlägen begonnener Wörter oder Sätze wie bei Microsoft „Word“ oder wie in jedem modernen Handy fehlt auch leider, genau wie der vollständige Zeichensatz einer deutschen Tastatur. Grundsätzlich sieht man der Software den Ausbau und die Entwicklung sehr schnell an und sowohl die Oberfläche wie auch die Bedienelemente schreien nach einer Komplettrenovierung.
Sind aber alles behebbare Schwächen oder Fehler, lediglich der Glaube daran, dass ich noch Veränderungen miterleben werde, schwindet langsam. Beispielsweise der lärmende defekte Lüfter wartet jetzt schon seit über einem halben Jahr darauf, ausgetauscht zu werden - und nichts passiert! Er wird jeden Tag lauter und nähert sich dem Zeitpunkt seines Ablebens hörbar mit Riesenschritten. Als Folgeschäden sind der Hitzetod des Prozessors zu erwarten und der vollständige Ausfall meines Systems. Teuer, nervig und unnötig, weil vermeidbar. TFB erklärt, den Lüfter nicht selber austauschen zu dürfen und verweist auf den Hersteller mytobii in Schweden, der die Einsendung des Gerätes verlangt. Womit ich wenigstens 2 Wochen ohne Kommunikationshilfe wäre - untragbar und unzumutbar für mich. Zumal jeder PC Laden in Bielefeld die Reparatur für weniger als 50 Euro in einer halben Stunde auch durchführen könnte, sogar vor Ort.
Der kleine Fehler (settings.xml) mit der großen Wirkung ist auch schon fast ein Jahr, direkt nach seinem Auftreten, durch mich bekannt gemacht worden, ohne dass Abhilfe oder Vorkehrungen zu seiner Vermeidung getroffen worden wären. Letztlich habe ich selber eine Strategie entwickelt und umgesetzt, die mich schon mehrfach vor dem tagelangen Ausfall meines Geräts bewahrt hat.
Vor einigen Monaten noch habe ich das System positiv bewertet und eine Weiterempfehlung ausgesprochen. Davon würde ich jetzt Abstand nehmen und empfehlen, ein anderes System anzuschaffen. Wichtiges Kriterium sollte ein schneller und naher Supportdienstleister sein.
Wenn Sie also planen, ein Kommunikationshilfsmittel anzuschaffen und in Hannover oder Schweden wohnen, dann kann ich auch zu mytobii Systemen raten; die Augensteuerung funktioniert - sogar von der Seite (mit dem Gerät vor der Nase konnte ich weder fern-, noch eventuell gegenübersitzende Gesprächspartner sehen) recht präzise und die Sprachausgabe ist überwiegend gut zu verstehen.
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23.7.2010 von tono.
Heute ist es auf den Tag genau 18 Monate her, dass ich ins Hospiz „Haus Zuversicht“ eingezogen bin. Niemand, erst recht nicht ich (oder der Arzt, der meine Diagnose erstellt hat), hätte gedacht, dass es bei mir so lange dauert mit dem Ableben. Im Internet bin ich auf eine Seite gestoßen, die schon überholt war. Diagnose ‘ALS’ in 2009, knappe 8 Monate danach Exitus. Beneidenswert.
Für neu Mitlesende: Mich hat eine sehr selten auftretende, perfide verlaufende, tödliche Krankheit erwischt. Bis zum Erhalt meiner Diagnose hatte ich davon noch nie gehört: „ALS“, Amyotrophe Lateral Sklerose.
Eine kurze, nicht-qualifizierte und subjektive Info dazu: garantiert tödlich, nicht ansteckend, unsichtbar, unheilbar und Ursachen unbekannt. Stell’ Dir vor, bei Deinem Auto unterbricht jemand die Verbindung zur Lichtmaschine. Erstmal merkst Du gar nichts und fährst mit Batteriestrom weiter. Bis die Reserven erschöpft sind und nichts mehr geht. Bei ALS ist’s so ähnlich: die Kommunikation zu den Muskeln wird unterbrochen, eine gezielte und erfolgreiche Ansteuerung wird zunehmend unmöglich, bis gar keine Bewegungen mehr möglich sind, bis auf den Herzmuskel und die der Augen. Solange macht man weiter, als wäre nichts - bis die ersten Ausfälle sich nachdrücklich bemerkbar machen. Bei mir war es das linke Bein, der linke Arm und die Aussprache (die Zungenmuskeln werden auch nicht verschont!).
Jedenfalls hatte ich in den vergangenen 2 Jahren reichlich Gelegenheit, die „andere Seite“ kennenzulernen. In Zeitraffer lernte ich verschiedene Hilfsmittel, hilfreiche und freundliche Menschen, Dienstleistungen sowie die unvermeidlich dazugehörende Bürokratie kennen.
Ich war völlig verzweifelt als ich herkam. Jetzt kann ich nur müde drüber lächeln. Nicht, dass es hier besser geworden wäre und ich lieber hier wäre als vor anderthalb Jahren. Oder dass es mir besser ginge. Nein, beileibe nicht! Mir fehlt (u.a.) Dolby Surround Sound zu Filmen. Aber irgendwie ist es nicht mehr so einschneidend, es bleibt an der Oberfläche. Vielleicht habe ich jetzt ein dickeres Fell, aber in jedem Fall ist alles stark relativ und hängt extrem vom Standpunkt ab. Wäre ich heute so klapprig und schwach wie bei meinem „Einzug“, würde ich tanzenderweise eine Grillparty organisieren, dafür einkaufen, Cocktails mixen und grillen. Aber leider hat die Krankheit bei mir genau den prognostizierten Verlauf genommen: Muskelkraft nahe null, ich kann kaum noch stehen, mich nicht mehr aufrichten oder den Kopf gerade halten. Wenn ich esse, erinnern meine Kopfbewegungen an Krokodile; die können auch nicht vernünftig kauen.
Gestern bei der Krankengymnastik musste meine Krankengymnastin erneut stärker unterstützen. Lag das Verhältnis „bewegen-zu-bewegt-werden“ zu Beginn noch bei respektablen 40:60, sind wir mittlerweile bei 5:95…
Ich glaube, der Trick besteht darin, sich auf das zu konzentrieren, was man (noch) kann und daraus Kraft zu schöpfen, statt auf das, was man nicht (mehr) kann. Es ist definitiv alles eine Frage der Sichtweise und der Einstellung! Vor anderthalb Jahren hielt ich mich für klapprig, hilfsbedürftig und behindert, das Glas war halbleer, nicht halbvoll.
Heute wünschte ich mir, so „schwach“ zu sein - eben alles eine Frage des Standpunkts…
Einen sehr guten TV-Spot zu ALS („motor neurone disease“) habe ich auf den Seiten eines Leidensgenossen gesehen. Etwas drastisch, FSK12 und „shocking“, aber wie sagt man doch so treffend „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“. Ich mag ihn jedenfalls, erklärt er doch besser als jeder Leidensbericht die Gefühle im Verlauf der Mutation hin zum Pflegefall…
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7.7.2010 von tono.
Im Oberhausener Aquarium „Sea Life“ lebt ein Krake mit dem schönen deutschen Namen „Paul“. Er hat bislang alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft richtig prophezeit! Und das funktioniert so: es werden 2 Plexiglaskästen mit jeweils einer Portion Muschelfleisch darin und mit der Landesflagge davor gekennzeichnet in sein Becken hineingelassen. Das erwählte Land, dessen Deckel Paul anhob und dessen Inhalt er verspeiste, gewann auch das anstehende Spiel.
Bisherige Trefferquote von Pauls Prophezeiungen: 100%!
Als Paul diesmal vor dem Halbfinale die spanische Box öffnete, war das Geschreie groß; es bildeten sich ganze Anti-Paul-Bewegungen…
Jetzt, nachdem die Spanier Jogis Jungs den Schneid abkauften, überlegen die Verantwortlichen im Sea Life Aquarium sicher, Paul unter „Krakenschutz“ zu stellen .
Da sind die Spanier klarer strukturiert - bei ihnen heißt ein Krake nicht Paul, sondern „Paella“…
Mal sehen, ob die Spanier zum ersten Stern greifen oder unsere holländischen Nachbarn im 3. Anlauf. Fakt ist jedenfalls, dass der Titel weiter in Europa bleibt.
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5.7.2010 von tono.
Gestern habe ich „Shrek forever“ (Teil 4) gesehen. Vorab schicken muss ich, dass der Film eher etwas für Erwachsene und ausgesprochene Oger-Fans ist. Ich bin zwar erwachsen und Ogerfan - aber nicht begeistert. Den Charme und den Witz der beiden ersten Filme in den letzten hinüberzuretten, ist den Machern leider nicht gelungen. Schade, passiert aber wohl häufiger, dass die Luft zum Ende hin ausgeht. An den gezahlten Löhnen kann’s nicht liegen: allein Eddie Murphy erhielt für die Synchronisierung des Esels 25.000.000 Dollar…
Wer also seinen Blagen etwas Gutes tun will, schickt sie zum Spielen nach draußen oder kauft sich Teil 1+2 auf DVD und veranstaltet einen gemütlichen Filmenachmittag mit Waffeln, Obst und Saft für die lieben Kleinen.
Übrigens: die ersten 20 min. haben die Drehbuchautoren des Films nahezu 1:1 aus meiner unveröffentlichten Autobiografie abgekupfert. Ich kämpfe noch mit mir wegen einer Klage. Was meint Ihr?
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4.7.2010 von tono.
Die Holzschuhhelden haben der Samba Fraktion vom Zuckerhut gezeigt, wie der Gouda rollt! Und dieses Mal haben es ihnen alle gegönnt. Sogar der überwiegende Teil der Deutschen - und das will was heißen, bei der durchaus vorhandenen Rivalität der Fußballnationen und Nachbarn. Jetzt lautet das Wunschfinale der Fans Holland : Deutschland. Für mich durchaus denkbar, wurden doch die echten Schwergewichte schon im Viertelfinale bezwungen, die Holländer knapp die Brasilianer und wir mit einem 4:0 Kantersieg die Gauchos aus Argentinien.
Jetzt hat Holland gegen die wahrhaft nicht überzeugenden „Urus“ ein quasi Freilos vor der Brust, und unsere Truppe muss nochmal echt ran. Die Spanier sind immerhin amtierender Europameister und beherrschen das schnelle und gepflegte Kurzpassspiel im Schlaf, obwohl sie sich gegen Paraguay echt nicht mit Ruhm bekleckerten. Ich hoffe jedenfalls mal auf das Traumfinale gegen unsere Flachlandnachbarn.
Heute abend gab es endlich die längst fällige kalte Dusche, mit reichlich Blitz und Donner. Jetzt bekommt man wieder Luft, Schlaf und kann sich bewegen, ohne gleich in Schweiß auszubrechen. Für mich einerlei, ich bewege mich ohnehin nicht mehr wirklich viel , aber trotzdem angenehm.
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29.6.2010 von tono.
Kommunikation, eine unendliche Geschichte… Heute morgen ist es wieder passiert:
Eine Pflegekraft betrat mein Zimmer, um mich zu erlösen. Mir wurde es nämlich mittlerweile arg warm unter meiner Bettdecke. Während ich noch mit geschlossenen Augen darüber nachdachte, ob sie angeklopft hatte und ob ich ein „Guten Morgen“ überhört hatte oder ob es gar nicht gesagt wurde, kam schon die erste Frage.
Vermutlich wegen meiner geschlossenen Augen lautete sie „…noch keine Lust?“ Was ich als „Haben Sie noch keine Lust, aufzustehen?“ interpretierte und nach kurzem Nachdenken mit einem „nein“ beantwortete. Sollte heißen: „nein, ich habe nicht noch keine Lust, aufzustehen“, oder einfacher: „ja, ich möchte aufstehen“. Einfach, klar und logisch, oder? Ich wusste schon, was passieren würde, während ich noch antwortete. Und so war es dann auch: meine Antwort wurde fehlinterpretiert, die Pflegekraft verließ mein Zimmer und spendierte mir eine weitere halbe Stunde Sauna. Zeit, über Kommunikationshürden im Allgemeinen und die nächste anstehende Prüfung im Besonderen nachzudenken. Trotz der - durchaus bestehenden - Gefahr, erneut fehlinterpretiert zu werden und den Tag im Bett verbringen zu müssen, beschloss ich, wieder korrekt zu antworten. Alles andere würde auch keinen Sinn machen, hieße das doch, mich auf Ratespiele einzulassen, zu erraten, welche Antwort in welcher Form mein Gegenüber erwartete. Dafür ist es definitiv zu heiß!
Naja, ich schreibe - also sitze ich und alles ist gut. Außer der immer noch existierenden ALS und der hohen Temperatur. Samstag soll es im Übrigen Rekord verdächtig heiß werden. Also, immer schön im Schatten bleiben, ausreichend nichtalkoholische Flüssigkeiten trinken und die Kommunikation einfach und klar gestalten…
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28.6.2010 von tono.
Einen Italiener hatte man bei der WM in Südafrika vergessen: Signore Fabio Capello, den Trainer Englands. Das haben unsere Jungs gestern nachmittag korrigiert und ihn samt der englischen Nationalmannschaft nach Hause geschickt. Danke Jungs. Danke auch an den Schiedsrichter aus Urugay, der unserem Team half, kritische 20 Minuten zu überstehen und gleichzeitig nach 44 Jahren in Bloemfontein für den Wembley Ausgleich sorgte.
Wie auch immer, das Adrenalin ist verpufft, es ist Montag und die Sonne scheint auch wieder. Die Blagen in einigen Bundesländern haben schon Ferien, aber für den Großteil unserer Republik ist der Alltag wieder eingekehrt. Jedenfalls bis zum nächsten Spiel gegen Argentinien am Samstag. Dann werden wir kollektiv „Goodbye, Argentina“ singen, Autokorsos werden blökend durch die Innenstädte ziehen und massig Teens mit zu viel Alkohol und zu wenig Hirn werden einsilbige Lieder intonieren und sinnfreie Halbsätze zum Besten geben. Oder die Republik verwandelt sich in ein „Tal der Tränen“…
Zeit, mal wieder woanders hin zu sehen und zu -hören. Mein Körper steht (oder besser gesagt: liegt) mir immer häufiger und halsstarriger im Weg; wird zunehmend zum Fremdkörper, in dem ich sitze und aus dem ich herausschaue. Ich weiß nicht mal mehr, was das Teil eigentlich noch wiegt. Gefühlt eine Tonne, passt irgendwie überhaupt nicht zu Sommermärchen und -Träumen wie Fußball, Feiern und …
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